
JUNI 2025
Der Fall Gadus chalcogrammus:
Wie der Alaska-Seelachs (fast) zum Kabeljau wird
Wer „Alaska-Seelachs“ liest, denkt vermutlich an Fischstäbchen, Schlemmerfilet oder das Lieblingsfischgericht aus der Kantine. Doch hinter dem Namen steckt weit mehr als nur ein beliebter Speisefisch – nämlich eine verwirrende Geschichte aus der Welt der Wissenschaft, Handelsbezeichnungen und internationalen Vorschriften.
Die Hauptfigur:
Theragra chalcogramma, besser bekannt als Alaska-Seelachs. Wobei – dieser Name stimmt so eigentlich gar nicht mehr. Denn, obwohl er lange diesen Namen trug, wurde der Fisch 2014 aus wissenschaftlichen Gründen zu Gadus chalcogrammus umbenannt – also in jene Gattung verschoben, in der auch der echte Kabeljau zu Hause ist. Und genau da beginnt das Verwirrspiel: Laut deutschem Fischetikettierungsgesetz dürfen alle Arten aus der Gattung Gadus die Bezeichnung „Kabeljau“ tragen. Heißt das etwa, dass Alaska-Seelachs plötzlich als Kabeljau verkauft werden darf? Ganz sicher nicht! Und das hätte sonst zu einer handfesten Verbrauchertäuschung führen können …
Die Lösung:
Eine Fußnote. In der Liste der deutschen Handelsbezeichnungen steht unter Nummer 14:
„Für die Art Gadus chalcogrammus darf die Handelsbezeichnung Kabeljau nicht verwendet werden.“
Eine kleine Anmerkung mit großer Wirkung – und ein wichtiger Schutz vor unbeabsichtigter Verwirrung. Doch damit nicht genug. Die Umbenennung des Alaska-Seelachses beschäftigte auch die Welt-Zoll-Organisation (WZO), die über den internationalen Warenverkehr wacht. Und weil man beim Import von Fischarten penibel darauf achten muss, welche Art man in welchen Papieren angibt, warteten Importeure weltweit darauf, dass die WZO die „neue“ wissenschaftliche Bezeichnung endlich offiziell anerkennt. Das hat fast 15 Jahre gedauert! Erst ab Januar 2028 ist es möglich, den Alaska-Seelachs beim Zoll offiziell unter dem Namen Gadus chalcogrammus anzumelden.
Bis dahin gilt noch eine Übergangsregelung (Fußnote 13): Die alte Bezeichnung Theragra chalcogramma darf weiterhin verwendet werden – aber nur so lange, bis der neue Name auch im Zollsystem (TARIC) angekommen ist. Und genau dieser Zeitpunkt rückt nun näher. Das bedeutet: Hersteller werden jetzt umstellen – Etiketten, Verpackungen, Datenbanken. Die Folge: Schon jetzt, im Sommer 2025, taucht der „neue alte“ Name Gadus chalcogrammus immer häufiger auf Produkten in Supermärkten auf. Aber es ist immer noch der vertraute Alaska-Seelachs, der da in der Tiefkühltruhe liegt. Nur eben unter seinem neuen, wissenschaftlich korrekten Namen.
Fazit:
Was nach einer bürokratischen Fußnote klingt, ist in Wahrheit ein Paradebeispiel dafür, wie eng Wissenschaft, Handel und Verbraucherschutz miteinander verwoben sind – und warum es sich lohnt, auch mal genauer hinzusehen, wenn der Fisch plötzlich einen neuen Namen hat.