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Ein Pastagericht mit verschiedenen Sorten Muscheln auf einem weißen Porzellanteller

MAI 2025

Fisch und Meeresfrüchte als Antwort auf die Klimakrise?

Umweltwissenschaftler Björn Suckow über nachhaltige Lösungen aus dem Wasser

Ob Fisch aus der Nordsee, Lachs aus Aqua­kultur oder Muscheln von der Küste: Lebens­mittel aus dem Wasser sind nicht nur gesund, sie könnten auch eine entschei­dende Rolle im Kampf gegen den Klimawandel spielen. Denn im Vergleich zu Fleisch haben viele Fischarten und Meeres­früchte eine deutlich bessere Klimabilanz. Moderne Produktions­methoden wie die inte­grierte Aquakultur versprechen zusätzliche Nach­haltigkeit. Doch wie klima­freundlich ist „Blue Food“ wirklich? Björn Suckow, Wissen­schaftler und Mitarbeiter in der nach­haltigen Marinen Bioökonomie am Alfred-Wegener-Institut Bremer­haven gibt im Interview Einblicke in nachhaltige Konzepte und erklärt, warum die Aquakultur von morgen mehr als nur satt machen kann.

Die Lebens­mittel­produktion der Zukunft steht vor großen Heraus­forderungen: Ressourcen werden knapper, die Klimakrise verlangt nach Lösungen. Doch welche Rolle können Fisch, Muscheln und Algen dabei spielen? Julia Steinberg-Böthig vom Fisch-Informations­zentrum e. V. (FIZ) hat Björn Suckow dazu befragt:

Herr Suckow, wie hängen Ernährung und Klimakrise zusammen?

Björn Suckow: Hier gibt es einen direkten Zusammenhang. Die globale Ernährung ist für rund ein Drittel der weltweiten Treib­hausgas­emissionen verant­wortlich – durch Anbau, Tierhaltung, Verar­beitung, Transport, Zubereitung und Entsorgung. Wer bewusster konsumiert, kann also einen großen Beitrag zum Klima- und Ressourcen­schutz leisten.

Und wo stehen Fisch und Meeresfrüchte in diesem Zusammen­hang?

Suckow: Fische wandeln ihre Nahrung besonders effizient in Körpermasse um – deutlich besser als ihre tierischen Kollegen an Land. Das heißt: Bei einer guten Produktion entstehen hier pro Gramm tierischem Eiweiß weniger klima­schädliche Gase als bei Schwein, Rind und Co. Auch verbraucht die Zucht von Organismen im Meer keine Landfläche und tendenziell weniger Trinkwasser. Algen und Muscheln verbessern darüber hinaus durch ihre natürliche Filter­funktion sogar die Wasser­qualität.

Muscheln und Algen sind also besonders nachhaltig?

Suckow: Auf jeden Fall. Muscheln und Algen sind aus ökologischer Sicht kleine Helden – sie brauchen keine Zufütterung, binden CO₂, reinigen das Wasser und bilden noch Lebensräume für andere Tiere wie beispiels­weise Fische. Wer regelmäßig zu diesen Produkten greift, kann also ganz konkret zum Umweltschutz beitragen.

Gilt das auch für alle Fischarten?

Suckow: Natürlich gibt es Unterschiede – entscheidend ist, wie und wo Fisch produziert oder gefangen wird. Viele Arten wie Hering oder Makrele haben eine sehr geringe CO₂-Bilanz. Nachhaltige Fischerei und verantwor­tungsvolle Aquakultur mit zertifi­zierten Standards wie ASC, MSC oder Naturland können die Umwelt damit deutlich weniger belasten als etwa die Rindfleisch­produktion. Vor allem Wiederkäuer wie Rinder stoßen beim Verdauen große Mengen Methan aus – ein Treib­hausgas, das um ein Vielfaches klima­schädlicher ist als CO₂. Fische hingegen produzieren kein Methan und benötigen deutlich weniger Energie, da sie als Meeres­bewohner nicht gegen die Schwerkraft ankämpfen müssen und ihre Körper­temperatur der Umgebungs­temperatur entspricht. Das macht sie in vielen Fällen zur klimafreund­licheren Alternative. Besonders spannend sind meiner Meinung nach integrierte Systeme.

Was bedeutet „integrierte Systeme“?

Suckow: In der sogenannten integrierten Aquakultur werden verschiedene Arten wie Fische, Muscheln und Algen gemeinsam in einem Kreislauf bzw. benachbart zueinander im Meer gehalten. Die Abfallstoffe der einen dienen den anderen als Nähr­stoffquelle. So entsteht ein nahezu geschlossener, ressourcen­schonender Produktions­prozess. Mit dem gleichen Einsatz von Futter kann ich also viel mehr Lebens­mittel produzieren. Das ist ein spannender Ansatz für die Zukunft, an dem auch ich forsche.

Heißt das, wir sollten mehr Blue Food für das Klima essen?

Suckow: Eine Ernährung, die stärker auf pflanzlichen Lebens­mitteln basiert, ist für das Klima am besten. Für die, die nicht auf tierische Produkte verzichten möchten, ist Blue Food – wenn bewusst und nachhaltig gewählt – fürs Klima häufig eine bessere Alternative zu Fleisch. Wer öfter mal Fisch oder gerade Meeres­früchte statt Fleisch isst, kann Genuss mit Verant­wortung verbinden. Und damit einen Beitrag für den Schutz unseres Planeten leisten.

Aber wenn jetzt jeder Fisch statt Fleisch essen würde – wären die Bestände dann nicht auch überlastet?

Suckow: Natürlich wäre es keine Lösung, den weltweiten Fleisch­konsum einfach eins zu eins durch Fisch zu ersetzen – das würde viele Bestände überfordern. Entscheidend ist, woher der Fisch stammt und wie er erzeugt wurde. Nachhaltige Fischerei, verantwor­tungsvolle Aquakultur und eine größere Vielfalt auf dem Teller können helfen, den Konsum klima- und ressourcen­schonend zu gestalten. Qualität vor Masse, weniger, dafür aber besser und bewusst genießen – das ist der Schlüssel.